Rede der Vorstandsvorsitzenden des FrauenBildungsHaus Dresden e.V. zur Einweihung des Genderkompetenzzentrums Sachsen

„Ein herzliches Willkommen auch im Namen des Vorstandes des FrauenBildungHaus Dresden e.V.. Ich freue mich sehr, dass Sie so zahlreich erschienen sind, um mit uns die Eröffnung des Genderkompetenzzentrums Sachsen zu feiern.

Die Umbenennung in Genderkompetenzzentrum Sachsen ist für mich die logische Konsequenz und das nach Außen hin sichtbare Zeichen eines Veränderungsprozesses, der sich über die letzten Jahren in der Landesstelle für Frauenbildung und Projektberatung in Sachsen vollzogen hat.

Damit Sie besser verstehen können, worin diese Veränderung bestehen, ist es an mir einen kurzen Blick zurück in die Geschichte dieser sachsenweit einzigartigen und wandlungsfähigen Institution zu werfen.

Vor 10 Jahren im Januar 2008 begann mit einem Praktikum mein gemeinsamer Weg mit dem FrauenBildungsHaus. Wie sich herausstellte, war 2008 ein gutes Jahr um den Verein kennenzulernen. Zum Jahresende standen die Feierlichkeiten zum 18-jährigen Bestehen an. Im Zuge dessen hatte ich die Gelegenheit an einem Interview teilzunehmen, dass Nicole Schönherr-Trenkmann, damals Projektkoordinatorin im Frauenstadtarchiv und heute meine Vorstandskollegin, mit Karin Dauenheimer führte. Karin Dauenheimer, die heute leider nicht dabei sein kann, ist eine der Gründerinnen des Vereins und hat von 1991 bis 1996 das Frauenbildungszentrum und das Vorgängerprojekt der Landesstelle geleitet. Von ihr erfuhren wir von den Anfängen des Vereins.

Der Verein wurde im Herbst 1990 gegründet und im November eingetragen. Wenige Monate später am 15. Januar 1991 konnte das Frauenbildungszentrum seine Arbeit mit 2 finanzierten Stellen aufnehmen. Und bereits wenige Monate später im Mai 1991 schrieb das Bundesministerium für Frauen und Jugend ein Modellprojekt unter dem Titel „Information und Beratung von Frauen in den fünf neuen Bundesländern zu den geänderten Lebens- und Arbeitsbedingungen“ aus. Anfang der 1990 war eine temporeiche Zeit und alles musste sehr schnell gehen. Und so kam es, dass sich in der Nacht vom 30. auf den 31. Mai 1991 Andrea Siegert mit dem Auto auf den Weg nach Bonn machte, um den Antrag abzugeben.

Die Mühe hatte sich gelohnt. Der Verein wurde als Träger der Beratungsstelle in Sachsen aus den acht sächsischen Bewerbungen ausgewählt. Bereits im September 1991 wurde die „Beratungsstelle für Frauenarbeit in Sachsen“ in Anwesenheit der damaligen Bundesministerin für Frauen und Jugend und heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnet.

4 Beraterinnen und zwei Verwaltungsmitarbeiterinnen bildeten das Team. Mit einem Kleinbus reisten die Beraterinnen durch Sachsen und boten auf Marktplätzen ihre Beratungen für die Frauen an, die nach der Wende während der Umgestaltung des Wirtschaftssystems besonders stark von Arbeitslosigkeit betroffen waren. Dabei stellten die Beraterinnen fest, dass die Frauen nicht nur sachliche Informationen benötigten, sondern auch eine psychische Unterstützung zur Bewältigung dieser Umbruchsituation. Daher entwickelte die Beratungsstelle in jener Zeit den Orientierungskurs. Dieser verband Bewerbungstraining und rechtliche Informationen mit kreativen und kommunikativen Angeboten zur Stärkung des Selbstbewusstseins der Frauen. Der Orientierungskurs besteht noch heute fort, jetzt als ein Angebot der Beratungsstelle für Frauen ohne Erwerbsarbeit in unserem Haus.

Nach 5 Jahren in Bundesförderung ging das Projekt Ende des Jahres 1996 in die Landesförderung über und wurde in „Landesstelle für Frauenbildung und Projektberatung in Sachsen“ umbenannt. Mit der Entstehung von Beratungsstellen vor Ort in den sächsischen Städten veränderte sich der Auftrag der Landesstelle. Weiterhin gab es Seminare und Workshop für Frauengruppen zu den unterschiedlichsten Themen in ganz Sachsen. Ziel war die Stärkung und Vernetzung der Frauen.

Zusätzlich stand die Landesstelle Frauenprojekten und den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten in ganz Sachsen als Bildungs- und Beratungseinrichtung zur Seite. So begleiteten die Mitarbeiterinnen der Landesstelle Frauenprojekte bei der Gründung und Weiterentwicklung durch Projektberatung und Supervision. Und sie unterstützte die Gleichstellungsbeauftragten in den Gemeinden durch Beratung, Weiterbildung und in der Öffentlichkeitsarbeit. Wichtiges Ziel war, die Gleichstellungsarbeit in allen Landkreisen Sachsens sichtbar zu machen und somit auch Frauen jenseits der großen Städte mit Angeboten der Frauenbildungsarbeit zu erreichen. So koordinierte die Landesstelle pro Jahr in mehreren Landkreise die Gleichstellungswochen. Innerhalb von einem Monat fanden in verschiedenen Orten eines Landkreises bis zu 10 Veranstaltungen zu unterschiedlichen Themen statt. Die Themen reichten von der Vorstellung von Frauenpersönlichkeiten über den Umgang mit Stress bis zu „Tabus im Leben von Frauen“.

Ein besonderes Bildungsangebot, dass über viele Jahr bestand war die 1,5-jährige Langzeitausbildung zur Fachfrau für Projektmanagement und Frauenprojektarbeit. Die Weiterbildung vermittelte wesentliche Kompetenzen in den Bereichen Projektmanagement, Gesprächsführung, Konfliktbewältigung, Teamarbeit, Vereinsrecht, Leitung, Moderation, Öffentlichkeitsarbeit sowie Frauenbewegung und Frauengeschichte. Ergänzt mit Praxisreflexionen wurden Frauen in die Lage versetzt, eigene Projekte umzusetzen. Viele der Teilnehmerinnen übernahmen nach ihrer Weiterbildung haupt- oder ehrenamtlich Verantwortung in der Frauenprojektarbeit, wofür die Weiterbildung eine gute Grundlage bot. Dies wurde auch daran deutlich, dass der Abschluss der Langzeitausbildung als Qualifikation für die Arbeit in der Frauenprojektarbeit anerkannt wurde.

Neben dieser kontinuierlichen Qualifizierung der Frauenarbeit in Sachsen, reagierte die Landesstelle auch immer wieder auf aktuelle Themen. Ende der 2000er deutete sich an, dass es auch in Sachsen bald mehr Ausbildungsplätze als Schulabgängerinnen und Schulabgänger geben würde. Gleichzeitig gab es Klagen, dass die Mädchen aus den Landkreisen abwandern. Mit dem Projekt „Hiergeblieben! Neue Chancen für Mädchen, Jungen und die Wirtschaft der Region“ griff die Landesstelle das Thema auf. Durch Gespräche und Veranstaltungen in verschiedenen Landkreisen sollten die ansässigen Wirtschaftsunternehmen für die Potentiale von Mädchen auch in den „klassischen“ Jungenberufen sensibilisiert und Mädchen berufliche Perspektiven in ihrer Region eröffnet werden. Ein Stück weit ist es damit gelungen, das Thema geschlechtersensible Berufsorientierung zu setzen. Der Girls‘- und Boys‘-Day ist in vielen sächsischen Städten heute zur Selbstverständlichkeit geworden.

Das Jahr 2010 war für die Landesstelle ebenso wie für viele Frauen- und Gleichstellungsprojekte gerade in den ländlichen Regionen Sachsens und die Gleichstellungsbeauftragten in den Gemeinden ein harter Schlag. Um mehr als 50 % wurde der ohnehin nicht üppige Etat für die Gleichstellungsarbeit von der CDU-FDP-Regierung gekürzt. Vor diesen Rahmenbedingungen war ein Neubeginn – auch personell – in der Landesstelle notwendig geworden. Nur ich, seit 2009 als studentische Hilfskraft in der Landesstelle angestellt, blieb. Die Leitung übernahm im Folgejahr 2011 Dr. Alexandra Stanislaw-Kemenah, die leider zum Ende des Jahres in das Amt der Dresdner Gleichstellungsbeauftragten wechselte und somit von einer Kollegin zu Kooperationspartnerin wurde. Als neue Kollegin wurde 2011 Maria Kropp eingestellt. Und erst im Frühjahr 2012 konnten wir mit Karin Luttmann das Team wieder komplettieren. Jetzt ging es darum die Landesstelle neu zu denken. Ab 2011 mussten Kontakte neu geknüpft werden, bestehende Angebote auf den Prüfstand gestellt und Neues entwickelt werden. Es gab Platz für Ideen wie z.B. den Genderkalender, aber noch nicht die nötigen Ressourcen, um diese umzusetzen. Es waren herausfordernde Jahre, die dem zügigen Abschluss meines Studiums nicht gerade zuträglich waren. Aber dafür konnte ich sehr viele praktische Erfahrungen sammeln. In den folgenden Jahren konnten durch die Erweiterung des Teams um Sinah Hegerfeld und Astrid Tautz weitere Themen aufgegriffen werden. Die Mitarbeiterinnen ebenso wie die vielen Praktikantinnen haben mitgeholfen, die Veränderung von der Landesstelle hin zum Genderkompetenzzentrum voran zu bringen.

Die Landesstelle hat in den vergangenen 21 Jahren immer wieder auf die veränderten Bedingungen in der Gesellschaft reagiert. Sie hat gefragt, was ist unter den veränderten Bedingungen nun unsere Aufgabe, um die Gleichstellung von Frauen und Männern voranzubringen? Wo ist es an uns, Neues zu versuchen?

Dabei ist sie ihrem grundlegenden Anliegen, die Gleichstellung der Geschlechter voranzubringen, immer treu geblieben. Die Antwort auf die Frage „Was bedeutet Gleichstellung der Geschlechter?“ ist heute womöglich ein wenig komplexer geworden. Und die Antwort auf die Frage „Wie kann ich Gleichstellungsarbeit sichtbar machen?“ lautet heute vielleicht nicht mehr „durch die Gleichstellungswochen“ sondern „durch den Genderkalender“.

Frauen* in ihrer persönlichen und professionellen Entwicklung zu unterstützen bleibt wichtiger Bestandteil der Arbeit. Gleichzeitig gibt es zunehmend mehr Männer*, die daran interessiert sind, die Gleichstellung der Geschlechter voranzubringen. Langfristig geht es nur gemeinsam, mindestens mittelfristig braucht es immer noch die Möglichkeit von Frauen*räumen. Beides bietet das Genderkompetenzzentrum Sachsen und darum ist das genau der richtige Begriff, denn Genderkompetenz bedeutet auch zu wissen, wann geschlechtshomogene und -heterogene Gruppen das Mittel der Wahl sind.

Ich wünsche uns allen gute Gespräche und eine schöne Feier!“